Lehrer und Entwicklungswege sind in der Beratung eng miteinander verbunden, Haltungen vermitteln sich im persönlichen Kontakt – und ich hatte das Glück, dass bei meiner früheren Firma Como Consult, v.a. durch Ellen Künzel, hier früh einige für mich prägende Gestalten auf den Plan traten. Wer sich für Systemische Beratung, Gestalt(therapie), Lebenskunst und Philosophie interessiert sollte sich die Chance nicht entgehen lassen, Wolfgang Looss, Peter Dreitzel, Gunther Schmidt und Matthias Varga von Kibéd live zu erleben.
Wolfgang Looss integriert in seiner Arbeit Einflüsse aus der Gestalttherapie und der Systemik zu einem individuellen, unnachahmlichen Stil. Seine große Wahrnehmungsfähigkeit und sein sicheres Gespür für Timing verbindet er mit einer manchmal fast lyrischen Fähigkeit, Sprachbilder zu produzieren, die einen packen, berühren und begleiten. Dafür schöpft er aus einer tiefen humanistischen Bildung und zieht von Shakespeare bis Rilke das aus unserem Fundus an Mythen, Geschichten und Archetypen, was Bewusstheit über aktuelles Geschehen und Erleben erhöht, einen neuen Blickwinkel und Handlungsspielräume eröffnet. Von seinem enormen Überblick über Modelle, Schulen und Formate habe ich schon oft profitiert.
„Ziel der Arbeit ist die Befreiung unserer Lebendigkeit aus ihrer Erstarrung, aus der Trübung unserer Sinne, aus der Routinisierung unserer Kontakte, aus dem Schlaf unserer Kreativität“. Das ist ein Zitat von Peter Dreitzel, der auch mit 85 Jahren so viel Lebendigkeit ausstrahlt, dass man ihm die Expertise bei diesem Thema umstandslos abnimmt. Ein gutes Leben realisiert sich für Peter auch im „kreativen Widerstand gegen die vorherrschenden Umstände“. Was wir als „Charakter“ loben sieht er eher als Versteinerungen und Erstarrungen. In der Interaktion mit ihm habe ich eine andere Kontaktqualität und Intensität erfahren, als sie in der systemischen Schule häufig noch üblich ist. Seine drei Bücher mit dem Titel „Reflexive Sinnlichkeit“ zur Gestalttherapie waren für mich prägend und ich finde immer noch, das ist zugleich ein hervorragendes Lebensmotto.
Gunther Schmidt hat mich letzt- und endgültig davon überzeugt, dass wir unsere Welt Sekunde für Sekunde neu konstruieren, als Individuen und auch in Teams, in Organisationen, durch Prozesse der Fokussierung von Aufmerksamkeit. Das bedeutet, dass wir über erhebliche Spielräume und Freiheitsgrade verfügen, selbst dann, wenn wir beispielsweise gerade ein „Problem“ erleben. Er verkörpert die Kompetenzhypothese, die Überzeugung, dass wir die für die Lösung erforderlichen Kompetenzen immer schon mitbringen und es eher darum geht, sie zu aktivieren. Und uns und unsere Klienten nicht durch tiefschürfendes Wühlen in unseren Schwächen und Fehlern in eine „Problemtrance“ zu versetzen.
Warum dabei Lösungen rein logisch nichts mit dem Problem zu tun haben müssen hat schon Wittgenstein begründet. Verstanden habe ich es aber erst bei Matthias Varga von Kibéd, der mir nicht nur Wittgenstein, sondern auch George Spencer-Brown, Gregory Bateson, Virginia Satir und natürlich Heinz von Förster näher gebracht hat. Seine Belesenheit ist überwältigend, und wer ihn erlebt hat, weiß, dass er sie von Zeit zu Zeit in einen Kurzvortrag kanalisiert, der in seiner Klarheit, Weitsichtigkeit und Konsistenz strahlt und leuchtet. Für mich ist Matthias ein bedeutender zeitgenössischer Philosoph, der mit seinen Ideen und seiner Aufstellungspraxis, die er gemeinsam mit Insa Sparrer entwickelt hat, auf die systemische Beraterszene einen erheblichen Einfluss hat.